NEW YEAR, NEW ME

In meinem letzten Artikel habe ich Euch über meine Erfahrung mit dem Haarsystem in der Extremsituation Sex berichtet. Zu Beginn des neuen Jahres möchte ich ein bisschen tiefer schürfen und über Authentizität, Selbstbestimmung und Selbstliebe schreiben. Und darüber, welche Rolle dabei mein Haarsystem gespielt hat.

DAS GEWOHNTE IN FRAGE STELLEN

Durch unsere Eltern lernen wir von Beginn an, wie man zu sein hat und nehmen uns ihre Persönlichkeiten zum Vorbild. Da es die ersten Menschen sind, die wir kennenlernen, können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterscheiden, ob diese Vorbilder gut oder schlecht sind. Wir lernen es erst mit der Zeit und schlagen, während wir unseren eigenen Charakter formen, immer wieder auch Irrwege ein.

Auch ich habe mich und mein Leben schon einhundert Mal verändern wollen. Sei es durch die Schablone eines Berufs, der mir die Plattform für ein Identitätsdesign geboten hat, oder durch andere Dinge wie z. B. durch Mode oder die Rolle an der Seite eines bestimmten Partners. Mir waren alle Mittel recht, um mich im Prozess des Erwachsenwerdens zu definieren. Und natürlich hat auch meine Krebserkrankung die Karten noch einmal neu gemischt und einen Prozess eingeleitet, der eine neue Selbstfindung erforderlich gemacht hat.

DAS SPIEGELGLEICHNIS
ICH SEHE MICH, ALSO BIN ICH?

Verzerrte Selbstwahrnehmung kennen wir wohl alle. Mal mehr, mal weniger bringt sie uns insbesondere auf dem Weg in das Erwachsenwerden zum Stolpern. Im schlimmsten Fall bricht sie uns und hinterlässt ein Scherbenmeer aus fehlendem Selbstwert: Wir fühlen uns nach den Vorgaben eines gesellschaftlich-manifestierten Schönheitskults zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein oder eben einfach zu hässlich. Gerade dachten wir, wir könnten uns nach jahrelanger Emanzipation von unserem Elternhaus sicher fühlen eine eigene Identität entwickelt zu haben, da heften wir uns schon an die nächsten Schönheitsideale. In den sozialen Medien finden wir Götter und werden zu Götzen. In Film und Fernsehen stillen wir unsere Sehnsucht nach einer Flucht vor der Realität.

Der Blick in den Spiegel kann je nach Sensibilität und Eigenwahrnehmung zu einer Qual werden. Besonders, wenn das Gesehene weit von dem entfernt ist, wonach wir uns sehnen. Da gibt es keine Filter, die unsere Haut besser, das Haar voller oder die Lippen dicker machen und die Narben verschwinden lassen. Wir erkennen vor allem eins: die Realität. Und dann hetzen wir getrieben von Sehnsüchten und Zweifeln unseren Vorbildern hinterher. Zu welchem Zweck? Um genau wieder da zu landen, wo wir eigentlich gehofft haben nicht wieder hin zu müssen: In ein Korsett gesellschaftlicher Erwartungen und zurück an den Anfang.

SELBSTZWEIFEL & DAS INTERNET

In meinen vorangegangenen Kolumnen habe ich Euch von meiner Geschichte rund um meine Krebsdiagnose, die Bekämpfung und ihre langwierigen Folgen (unter anderem dem Haarverlust während und nach der Chemotherapie) erzählt. Als der Krebs mir alle physischen Merkmale eines „normalen Heranwachsenden“ genommen hatte, sehnte ich mich umso mehr nach einer Welt, in der ich mich selbst neu erfinden und definieren konnte. Kennt ihr das auch? Wenn die Kopfmonster und Selbstzweifel einen in die Enge treiben, suchen wir nach Linderung und greifen zu Werkzeugen wie der Fantasie oder suchen nach Möglichkeiten, uns selbst zu optimieren – doch das Kernproblem lösen wir damit nicht.

Der Krebs war besiegt, doch er hatte die Person in meinem Spiegel verändert. Meine Seele war gequält und Depressionen, Psychosen und eine Wahrnehmungsstörung hinderten mich daran, mich selbst zu sehen und wertzuschätzen. Wenn man zehn Jahre lang immer und immer wieder im Konflikt mit seiner eigenen Gesundheit steht, ist es eigentlich schon schwer genug, sich selbst zu akzeptieren. Hinzu kommt dann aber noch, dass das Internet und die vielen perfekten Menschen und Leben auf Facebook und Instagram den Druck auf die eigene Perfektion erhöhen.

Versteht mich bitte nicht falsch; Ich bin absoluter Fan der sozialen Medien und habe absolut nichts gegen „Muntermacher“, bzw. „Motivationsstützen“, die man im Internet schaut, um sich selbst besser zu fühlen. Ich glaube aber fest, dass sie einem schwachen Selbstbild wie ich es damals hatte, nicht helfen können. Im Gegenteil: Die digitale Blase aus Fotos und YouTube-Videos wunderschöner Menschen, die sich mit diversen Hilfsmitteln immer weiter selbstoptimieren, erzeugt eine Abwärtsspirale der Traurigkeit. Und so war es auch bei mir: Ich entwickelte eine verrückte Obsession für Tutorials und Influencer, die letztendlich dazu beitrug, dass meine Ablehnung mir selbst gegenüber immer größer wurde – weil das Haar nach der Chemo nicht mehr so voll und stark war wie vorher, und weil ich durch Operationsnarben am Körper meinem auserwählten Ideal nicht mehr entsprochen habe. Ich konsumierte leere Informations-Konserven und klickte mich von einer Fantasie zur nächsten. Dabei habe ich mich letztendlich so weit davon entfernt, mich selbst wahrnehmen zu wollen oder zu lieben, dass ich mir Hilfe suchen musste.

DIE ERKENNTNIS
ICH LIEBE MICH – ALSO WERDE ICH SEIN.

In meinem ersten Artikel erzählte ich Euch bereits wie ich zu Hairsystem Heydecke gekommen bin – aber nie, in welchem Zustand ich mich zu dieser Zeit befunden habe. Die Geschichte dieser Kolumne und der Start in das Jahr 2020 sollen einen philosophischen und lebensbejahenden Ansatz vertreten. Bis hierhin liest es sich aber jedoch eher, als habe ich viel Schmerzen meiner Vergangenheit nicht überwunden und würde immer noch leiden. Das ist in gewissen Maßen auch immer noch so. Die Vergangenheit, die wir mit uns umhertragen, werden wir weder wegdenken noch verdrängen können. Aber wir können versuchen, uns Stück für Stück uns selbst wieder anzunähern. Und so tat ich das zu Beginn 2019 mit dem Kontakt zu Hairsystems Heydecke und mit meiner ersten Transformation. Was sich seitdem verändert hat, klingt für mich selbst wie die Reise eines Protagonisten in einem Abenteuer-Roman. Ich kann bis heute nicht glauben, wie dieses kleine Stück Haar dazu geführt hat, dass ich meinen Kopf wieder oben trage und selbstbewusst und stolz nach vorn blicke.

Und es geht mir nicht allein so – nächtelang habe ich mir Videos und Instagram Storys von Gleichgesinnten nach ihrer Transformation angesehen und eine ähnliche Entwicklung miterleben dürfen. Das liegt in erster Linie (nicht nur) an einem Haarsystem, einer Perücke oder Extensions. Es ist der erste Schritt wieder in Richtung Emanzipation und weg von einem krankmachenden äußeren Umstand. Selbstliebe beginnt dort, wo wir anfangen, uns selbst zu erkennen und Wünsche zu erfüllen, selbst wenn wir dabei Hilfe wie Make-up, Haarsysteme, bestimmte Kleidung oder Accessoires benutzen. Es ist so befreiend nach den Jahren der Selbstgeißelung wieder frei sein zu dürfen und das wünsche ich jedem von Euch von ganzem Herzen.

… UND WIE GEHT’S WEITER?

Seid ihr selbst unglücklich mit Eurer Haarsituation und denkt über ein Haarsystem nach? Dann schaut Euch Ariels Transformation oder die vielen anderen Verwandlungen auf unserem YouTube-Kanal an oder bleibt über unseren Facebook– oder Instagram -Kanal auf dem Laufenden!
Ariel meldet sich mit neuen spannenden Themen, humorvollen Erfahrungsberichten und der Fortsetzung seiner Kolumne nächsten Monat wieder. Seid gespannt!